kleiner Tipp, große Wirkung – Teil 1: Sprich mit mir!

kleiner Tipp, große Wirkung – Teil 1: Sprich mit mir!

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Streit mit dem Kind und der Grund sind Medien bzw. das Handy…kennst du das nicht auch?

Egal wie harmonisch das Familienleben sonst sein mag – beim Thema Medien kommt es in den meisten Familien spätestens dann zum Streit, wenn das Kind ein eigenes Handy besitzt oder damit beginnt, Spiele auf einer Spielekonsole zu spielen.

In der neuen Blog-Serie „kleiner Tipp, große Wirkung“ möchte ich dir als Elternteil jeweils einen Tipp geben, der dabei helfen soll, gegenseitiges Verständnis zu fördern und somit auch Streit zu vermeiden.

Sprich mit mir!

Im ersten Teil geht es heute um alltägliche Gespräche mit dem Kind, beispielsweise beim gemeinsamen Abendessen.

Ich stelle mir gerade ein klassisches Abendessen bei Familie Berger vor: Mutter, Sohn Clemens (13 Jahre) und Töchterlein Emma (5 Jahre) sitzen schon am Tisch. Der Vater ist gerade nach Hause gekommen und hat noch schnell den Anzug, den er als Banker tagsüber trägt, gegen ein bequemes Outfit getauscht bevor er ebenfalls am Tisch Platz nimmt. Nachdem die Mutter das Essen auf den Tisch gestellt hat, fragt sie den Vater wie sein Tag war. Er erzählt von seinen Meetings und berichtet seiner Frau über Umstrukturierungsmaßnahmen innerhalb einer ihrer Bankfilialen.

Ein Kollege hat in eine Finka in Spanien investiert woraufhin die Eheleute ins Schwärmen über frühere Urlaube in Sevilla geraten.

Dann fragt der Vater seine Frau, wie ihr Tag gewesen sei. Sie ist Hausfrau und Mutter und engagiert sich ehrenamtlich für die Kirchengemeinde des Ortes. Heute hatte sie gemeinsam mit den anderen Frauen ein Treffen, in dem es um bevorstehende Seniorennachmittage der Gemeinde ging. Sie erzählt ihrem Mann ausführlich wie sie deren Durchführung planen und er lobt anerkennend ihr Engagement für diese gute Sache.

Emma, das Nesthäckchen fällt ihrem Papa bei seinem letzten Satz ins Wort, denn auch sie möchte nun unbedingt über ihren Tag berichten. Sie war heute zum ersten Mal alleine auf einem Kindergeburtstag bei einer Kindergartenfreundin und es war einfach alles soooo aufregend. Die Eltern fragen interessiert nach, welche Kinder noch zu der Feier eingeladen waren, welchen Kuchen es gab und welche Spiele gespielt wurden.

Als Clemens gelangweilt im Essen herumstochert ergreift seine Mutter das Wort und fragt, was er heute Schönes erlebt hat. Er überlegt kurz und beginnt dann ganz aufgeregt von seiner heutigen Siegesserie bei seinem Lieblingsspiel  FIFA (ein Fußballspiel) auf der PS4 (Playstation 4) zu erzählen. Er setzt gerade an, zu berichten, welche neuen Spieler er sich gemeinsam mit seinem Spielpartner durch die Siege in ihr Team holen konnten, als der Vater ihn unterbricht. „ja, ja – gut und schön, aber wie war es eigentlich in der Schule?“

Völlig enttäuscht antwortet Clemens mit einem knappen „gut“ auf die Frage seines Papas und stochert weiter im Essen herum.

„Ach, Clemens – erzähl doch mal genauer. Habt ihr einen Test geschrieben?“ versucht die Mutter ihn noch einmal zu einer ausführlicheren Antwort zu animieren.

Aber auch hier entgegnet Clemens nur einsilbig „nöö“.

Daraufhin ergreift Emma wieder das Wort und plappert munter drauf los, wie ihr Kindergartentag war.

Später am Abend als die Kinder im Bett sind und Eltern auf der Couch sitzen, beklagt sich die Mutter: „So ist es immer mit Clemens. Er ist den ganzen Tag total kurz angebunden und spricht kaum ein Wort mit uns. Zum Glück ist Emma da ganz anders. Früher war Clemens auch viel gesprächiger!“ und zweifelnd „meinst du ihn bedrückt etwas?

Der Vater meint daraufhin nur „Nee-ist wahrscheinlich einfach normal in dem Alter. Er kommt in die Pubertät.“

Seine Frau kann das nicht so einfach abtun und macht sich insgeheim schon Gedanken, weil sie gar keinen guten Draht mehr zu ihrem Sohn haben – anders als sie es gewohnt waren, als er noch jünger war.

Clemens hingegen kann an diesem Abend lange nicht einschlafen. Er ist immer noch total aufgedreht, weil er und sein Freund es geschafft haben, ihr Team bei FIFA mit so tollen Spielern zu verstärken. Er ist schon ganz gespannt auf das nächste Match, das sie mit dieser Aufstellung spielen. Er und sein Freund haben sich für morgen Nachmittag zum Zocken verabredet.
Außerdem ist er etwas traurig, weil seine Eltern sich zwar für jedes Detail des Kindergeburtstages interessierten, auf dem Emma war, aber ihm gar nicht wirklich zugehört haben. Er konnte nicht einmal zu Ende erzählen. Nächstes Mal erzählt er einfach gar nichts mehr…will ja eh keiner hören.

 

Soweit die Geschichte der Familie Berger, die bewusst sehr überspitzt dargestellt ist.

Kommen dir Szenen wie diese bekannt vor? 

 

Hier mein Tipp:

Lass dein Kind von genau DEN Dingen erzählen, die es WIRKLICH interessieren und mit denen es sich GERNE beschäftigt.

 

Perspektivwechsel

Betrachten wir die Geschichte mal aus Sicht von Clemens. Er denkt:

  • Meine Eltern interessieren sich eh nicht für das, was mich begeistert und beschäftigt.
  • Bei Emma wollen sie jedes Detail wissen, Papa fragt sogar, welche Spiele sie gespielt haben.
  • Emma und ich hören ja auch zu, wenn Papa von seinen Meetings erzählt oder Mama von ihren langweiligen Treffen mit den anderen Frauen.
  • Wenn ich dann von dem erzähle, was mich interessiert und was meinen Tag heute so toll gemacht hat, darf ich nicht mal zu Ende sprechen.
  • Papa will immer nur wissen, wie es in der Schule läuft. Also ob Schule alles wäre…
  • Und dann wundern sie sich, warum ich so wenig rede. Ich habe einfach keine Lust nur von der Schule zu erzählen.

Retrospektive

Schauen wir uns die ganze Situation mal rückblickend an:

  • Clemens erzählt von dem PS4-Spiel. Das ist etwas, das ihn wirklich interessiert und beschäftigt.
  • Er beginnt ganz euphorisch und kommt so richtig in einen Redefluss.
  • Anders als bei Emma kommen keine Nachfragen von Seiten der Eltern.
  • Clemens spürt das Desinteresse seiner Eltern und der Vater bekräftigt diese ablehnende Haltung indem er ihn unterbricht und das Gespräch auf die Schule lenkt.
  • Clemens hat keine Lust über die Schule zu reden. Er ist nicht schlecht in der Schule, aber das ist einfach nicht das, was ihn wirklich interessiert.
  • Die Eltern nehmen das Playstation Spiel nicht als Teil von Clemens Hobbys wahr bzw. versuchen, diese digitale Freizeitbeschäftigung auszuklammern und nicht zu thematisieren.
  • Clemens merkt, dass das Thema nicht willkommen ist und wird zukünftig vielleicht gar nicht mehr darüber erzählen.

Viele Chancen und Möglichkeiten für dich!

Diese Vorteile bringt es dir als Eltern, wenn du bei gemeinsamen Gesprächen zulässt und es unterstützt, dass auch über Medien gesprochen wird:

  • Du erhältst Einblick, welche Apps/Spiele dein Kind nutzt.
  • Du merkst, was dein Kind interessiert bzw. welche Dinge es sehr beschäftigen.
  • Du entwickelst ein gewisses Verständnis dafür, was genau dein Kind so an einem Spiel oder einer App fasziniert (ähnlich wie bei einer Sportart, die dein Kind betreibt).
  • Du wirst selbst vertrauter mit bestimmten Medien weil du automatisch mehr darüber erfährst.
  • Du erfährst, mit wem dein Kind online viel Kontakt hat (online und offline kann es komplett unterschiedliche Freundeskreise geben).
  • Deinem Kind wird es leichter fallen, auch über etwas zu reden, das ihm im Internet seltsam vorkommt, wenn ihr eh häufiger über Medien sprecht.
  • Du kannst selbst besser einschätzen wie sehr dein Kind von bestimmten Medien beeinflusst wird und ggf. mit ihm darüber sprechen.
  • Du kannst auch mal Fragen stellen, ohne gleich zu nerven, weil dein Kind gewohnt ist, mit dir zu sprechen und somit auch offener ist für Nachfragen. Wenn nie über Medien gesprochen wird kommt es dem Kind gleich seltsam vor, wenn die Eltern plötzlich anfangen, davon zu sprechen und Fragen zu stellen.

Fazit: 

Je selbstverständlicher Gespräche über die Anwendung der digitalen Medien in eurer Familie sind, desto mehr wächst auch das gegenseitige Verständnis. Außerdem fällt es deinem Kind dadurch auch leichter, sich an dich zu wenden, wenn ihm in der digitalen Welt etwas begegnet, das ihm Angst macht oder seltsam vorkommt.